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Dr. Bernd Seydel kommentiert

Rechter Terror ganz sanft

21.01.2020

DJV-Vorstandsmitglied Dr. Bernd Seydel

Eigentlich müsste es uns kalt den Rücken herunterlaufen. Eigentlich gibt es genügend Anzeichen. Eigentlich gäbe es genug Anlässe für massiven Widerstand – oder haben wir wirklich nichts aus der Geschichte rund um 1933 gelernt? Die Tatsache, dass in Thüringen eine Radiolizenz von einem Unternehmen beantragt wurde, das nachweislich tief mit der politischen Rechten verbunden ist, fühlt sich gar nicht gut an. Dass die Landesmedienanstalt zurzeit darüber rein formal Auskunft gibt, ist nachvollziehbar, auch wenn sich das ebenfalls nicht besonders gut anfühlt. Dieser Antrag ist ein weiteres Indiz für eine Absicht, die längst durchorganisiert und planvoll umgesetzt wird. Warum? Das Vorhaben, mit Hilfe populistischen Gedankenguts Stimmen einzusammeln, ist erst mit der AfD richtig erfolgreich geworden. Sie hat es in den letzten Jahren verstanden, vermeintliche Wut, Gefühle der Benachteiligung und dem unspezifischen Vorwurf an „die da oben“ in Prozente bei Wahlen umzumünzen. Gleichzeitig sammelte sie alles ein, was irgendwie am rechten Rand dahindümpelt: Reichsbürger, stramme Nazis, Identitäre, Pegida-Anhänger. Verwundert stehen die anderen Parteien dieser Sammlungsbewegung gegenüber. Doch statt sich 100 Prozent konsequent dagegen zu positionieren, wird sogar öffentlich über Kooperation und Koalition geplaudert. Man scheint der AfD den Erfolg zu neiden und meint sogar, für sich selbst etwas daraus lernen zu können. Ein wenig Populismus kann doch nicht schaden – oder? Doch! Das Grundprinzip hinter allen diesen Aktionen aus dem rechten Lager ist nämlich, die Schwellen des politischen Anstands zu senken. Systematisch positioniert man verbale Entgleisungen oder auch dreiste Lügen, testet die Empörungswirkung und rudert dann zurück mit immer der gleichen Behauptung: Man sei wieder einmal ganz falsch verstanden worden. Doch dieses Vor und Zurück führt zu gedanklichem Landgewinn. Die Menge dieser Äußerungen auf allen Kanälen – Reden, Meldungen, Facebook oder wo auch immer – stumpft leider ab. Es wird alltäglich, es verliert seinen Schrecken. Es ist nicht der Aufruf zur Revolution, es sind die kleinen Landgewinne, die mir Angst machen. Ein Rundfunksender käme da gerade recht. Mit viel Bemühen könnte man dort die ach so unterdrückten „Wahrheiten“ verbreiten, könnte sich zitierbar machen. Ein paar Tabubrüche erzeugen Aufmerksamkeit, man würde gekonnt widerrufen und weitermachen wie bisher. Es wäre ein aus rechter Sicht hilfreicher kleiner Baustein auf dem Weg zu einer rechten Diktatur. Es soll ein neuer „Marsch durch die Institutionen“ werden – um dann am erfolgreichen Ende die Macht zu übernehmen. Nein danke. Da machen wir nicht mit. Wir Journalistinnen und Journalisten lassen uns weder erschrecken, erpressen, kaufen oder einschüchtern. Unsere Worte seien wehrhaft. Wir halten nicht den Mund, sondern zeigen auf die Wunde, die leider gerade immer größer wird. Dazu gehört auch, dass wir in Thüringen kein rechtes Privatradio wollen. Weitere Informationen zum Sachverhalt „Radiolizenz“ gibt es HIER.
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