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Fünf Tische, fünf Perspektiven

Wie hat sich der Journalismus mit dem Mauerfall verändert?

08.11.2019

TLZ-Redakteur Peter Rossbach erklärte den Schülern und Studierenden, wie ein Zeitungsartikel vor Zeiten der Computer entstanden.

Kurz vor dem Jahrestag des Mauerfalls haben der Thüringer Landesverband des Deutschen Journalistenverbandes, die Bundesstiftung Aufarbeitung und der Thüringer Landtag heute (08.11.2019) Schülerinnen und Schüler aus Schleiz und Studierende der Uni Erfurt zu einer ganz besonderen Form des Geschichts- und Medienunterrichts eingeladen. Journalisten und Journalistenvertreter der unterschiedlichsten Bereiche erzählten in einem World-Café im Landtag, wie sie den Umbruch mit dem Mauerfall in den Redaktionen erlebt haben. „Haben Sie es mal bereut, dass sie mit der Wende zu einem Verlag im Osten gewechselt sind?“ Die Frage kann Peter Rossbach, stellvertretender Lokalchef der TLZ in Eisenach ohne Zögern beantworten: „Ich bin heute länger im Osten Deutschlands als ich im Westen gelebt habe.“ An fünf Tischen erlebten die Jugendlichen fünf Perspektiven auf die Medienwelt. An jedem Tisch hatten sie 20 Minuten Zeit, den Gesprächspartnern ihre Fragen zu stellen. Peter Rossbach beispielsweise war 1990 aus seiner Hessischen Heimat nach Thüringen gewechselt, um die neuen Medien aufzubauen. „Das war spannend, zu erleben, was hier passierte.“ Ob er mal Vorurteile und Skepsis ihm gegenüber erlebt hatte, fragten die Schüler, die die Zeit nur aus Erzählungen kennen. Auch wie eine Zeitung eigentlich rein technisch gemacht wurde, ohne Computer, interessierte die Schüler. Rossbach zeigte, wie mit einem Typometer Artikelgrößen berechnet wurden, erklärte, wie Setzer und Metteure Artikel Buchstabe für Buchstabe spiegelverkehrt auf Druckplatten umsetzten. Die Suhler Lokalpolitikerin Ingrid Ehrhardt hat ihre berufliche Laufbahn auch im Journalismus begonnen. Sie erzählte Anekdoten von aufgebrachten Chefs, die Texte zensierten und von der Bezirksleitung abnehmen lassen mussten. „Ehrhardt, du spinnst wohl? Das können wir nicht drucken“, erzählt sie heute lachend. „Da war ich irgendwie auch stolz, wenn ich das geschafft hatte.“ Natürlich habe es auch eine innere Zensur gegeben, Themen, die man so als Tabu verinnerlicht hatte, das man sie automatisch vermied. „In 20 Jahren Berufsleben habe ich es nicht einmal erlebt, dass mir jemand vorgeschrieben hat, was ich berichten soll“, sagt Sebastian Scholz. Der heutige Geschäftsführer des DJV in Thüringen ist Radiojournalist, hat in Berlin, später bei Antenne Thüringen gearbeitet. Mit ihm schauten sich die Schüler an, ob es auch heute noch Zwänge und Zensur im Journalismus gibt und nach welchen Prinzipien Journalisten arbeiten. Wie Pressefotos entstanden und entstehen, worauf Fotografen achten und wie das Bild letztlich in die Zeitung kam und kommt, erklärte der freie Journalist und Fotograf Dr. Bernd Seydel den Gruppen. „Es gibt Dinge, die wir nicht tun sollen und wollen, gestern wie heute“, sagt er. Zum Beispiel, Menschen in despektierlichen Posen zu fotografieren, sei für ihn ein No-Go. Auch die Frage, wie ein Verband wie der DJV sich nach der Wende in Thüringen gründete, war Thema des World-Cafés. Der ehemalige Geschäftsführer, Ralf Leifer, der den Verband mit aufgebaut hatte, nahm die Gäste und zeigte ihnen auch anhand einer entsprechenden Aufarbeitung des Verbandes, wie viele Redaktionen und Zeitungen es direkt nach der Wende gegeben hat. Spannend fanden es die Jugendlichen auch, wie man damals und wie man heute Journalist wurde und wird, worauf man achten kann und welche Berufsbiographien es gibt. „Die journalistische Ausbildung beginnt in der Schule. Denn da lernt ihr, kritisch zu hinterfragen.“ „Es gibt wenige Berufsfelder, die in den vergangenen Jahrzehnten solchen Zäsuren und Entwicklungen ausgesetzt war“, sagt der Thüringer Landtagsdirektor Jörg Hopfe zum Auftakt des World-Cafés. Er betonte, wie wichtig er diese Formate findet, damit junge Menschen einen Einblick in die Geschichte erhalten. „Und wer weiß, vielleicht führt es auch dazu, dass der eine oder andere sich für dieses spannende Berufsfeld begeistern kann.“
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